Entwicklung sportlicher Talente an sportbetonten Schulen. Schwimmen, Leichtathletik, Handball

Die Frage, ob die sportlich talentierten Mädchen und Jungen, die jedes Jahr an die Eliteschulen des Sports aufgenommen werden, tatsächlich die größten Talente in ihren Jahrgängen und Sportarten sind, wird in regelmäßigen Abständen sowohl in der Sportwissenschaft, aber auch in der Sportpraxis und in den Medien gestellt. Dabei wird als wichtige Bezugsgröße deren langfristige sportliche Leistungsentwicklung und ihre Platzierungen bei den großen internationalen Events wie Olympischen Spiele, Welt- und Europameisterschaften zu Rate gezogen. Wirkliche Längsschnittuntersuchungen, an denen sich Sportschüler über mehrere Jahre beteiligten, und die damit eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für entsprechende Aussagen und Bewertungen liefern können, sind eher rar. Mit der vorliegenden Arbeit stellt Andreas Hohmann die Ergebnisse einer zweiteiligen Forschungsarbeit vor, die sich genau mit diesem ab und zu kontrovers diskutierten Thema auseinandersetzte. In den Jahren 1997-2001 wurden 440 Sportschülerinnen und 459 Sportschüler des Sportschulkomplexes Magdeburg dreimal, jeweils im Abstand von zwei Jahren auf ihre aktuelle Leistung sowie die Leistungsentwicklung getestet. Basierend auf diesen Testergebnissen wurden im zweiten Teil der wissenschaftlichen Studie die Leistungen und sportlichen Erfolge der Probanden für das Jahr 2006 prognostiziert und mit den tatsächlich in diesem Jahr nachweisbaren Erfolge bzw. erzielten Leistungen verglichen. Hierfür wurden zwei alternative mathematisch-statistische Methodenkonzepte (Diskriminanzanalyse, selbstorganisierendes neuronales Kohonen-Netzwerk) eingesetzt. Die Probanden kamen aus den Sportarten Schwimmen, Leichtathletik und Handball, und dem Forschungsteams stand eine Probandengruppe zur Verfügung, die sich sowohl durch eine sehr hohe Stabilität (niedrige Drop-Out-Quote) und Motivation in den Tests auszeichnete. Damit konnte ein sehr bemerkenswertes Projekt zur Begründung eines multidimensionalen und dynamisch-prozessualen Modells der Talententwicklung im Sport durchgeführt werden. Mittels der drei Talentdiagnosen im Untersuchungszeitraum wurden vier Talentprädikatoren abgeleitet: - die Ausprägung der Leistungsmerkmale und der Wettkampfleistung, - das Entwicklungstempo bei den Leistungsmerkmalen und der Wettkampfleistung, - die Utilisation der Leistungsmerkmale bei der Wettkampfleistung sowie - die psychische Belastbarkeit. Als bedeutsam ist auch die große Zahl der eingesetzten Test-, Beobachtungs- und Befragungsverfahren einzuschätzen, die sich als objektiv und reliabel und kriterienbezogen valide erwiesen. Damit wurde ein Testinventar geschaffen, das die im Erwachsenenalter zu erwartenden Finalleistungen zu einem hohen Prozentsatz aufklären konnte. Die im Ergebnis der Gesamtstudie vorgestellten Schlussfolgerungen unterstreichen den komplexen Denk- und Untersuchungsansatz der Wissenschaftler, der neben sportlichen Leistungsfaktoren, dem Tempo ihrer Entwicklung, Körperbaumerkmalen auch Fragen wie die motivationale Disposition, die psychische Stressstabilität, aber eben auch die externen Förderbedingungen analysiert. Dazu hat sich die Kombination des prospektiven Begabungs- und des retrospektiven Expertise-Ansatzes als sehr gut geeignet erwiesen. Innerhalb des Projekts wurde die Talententwicklung als ein langfristiger dynamischer Prozess verstanden, in dem es definierte Etappen der Talentförderung und Talentdiagnose gibt. Da sich dies als sinnvoll erwiesen hat, sollte darüber nachgedacht werden, eine flächendeckende Talentdiagnose innerhalb des Wissenschaftlichen Verbundsystems für den Leistungssport zu installieren. Für diese Diagnostik ist parallel zu allgemeinen Diagnoseverfahren ein mutlidimensionaler Ansatz zu wählen, um sportmotorische, sportpsychologische und kontextuelle Talentmerkmale zu erheben, ohne sportartspezifische Tests und den Einfluss des kalendarischen und biologischen Alters zu negieren. Dazu notwendig ist die Beschreibung von sportartspezifischen Leistungsstrukturen für den Jugendbereich wie auch für das finale Erwachsenenalter.
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Schlagworte: Talent Eignung Auswahl Diagnostik Förderung Forschung Theorie Definition Untersuchungsmethode Schwimmen Leichtathletik Handball Nachwuchsleistungssport
Notationen: Nachwuchssport
Veröffentlicht: Petersberg Imhof 2009
Ausgabe: Petersberg: Michael Imhoff Verlag, 2009.- 351 S.
Seiten: 351
Dokumentenarten: Buch
Sprache: Deutsch
Level: hoch