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Körperliches Beanspruchungsprofil im modernen Badminton unter ausgewählten energetischen und biomechanischen Aspekten

(Physical load profile in modern badminton - selected energetical and biomechanical aspects)

Das sportliche Leistungsniveau in der Rückschlagsportart Badminton hat zugenommen. Spitzenspieler, die mit hohem Trainingsaufwand nur noch geringe Leistungszuwächse erreichen können, versuchen durch ein gezieltes Training das Zusammenspiel von Technik, Taktik, mentaler Stärke und konditionellen Faktoren zu optimieren. Für ein optimales Training ist ein exaktes Anforderungsprofil in der Sportart die wichtigste Voraussetzung. Ziel der Studie war es, das intervallförmige Belastungsprofil von Ballwechsel und dazwischen liegenden Pausen und die damit verbundene kardiale und metabolische Beanspruchung im Herreneinzel zu untersuchen und die Bedeutung der aeroben Ausdauerleistungsfähigkeit herauszustellen. Zudem sollte in einer Trainingsstudie die Lauftechnik als ein Einflussfaktor für die körperliche Beanspruchung im Hinblick auf räumlich-zeitliche Strukturen analysiert werden, um Erkenntnisse über situatives Bewegungsverhalten auf dem Spielfeld und dessen Auswirkung auf die Lage des Körperschwerpunktes sowie der kinematischen Größen Geschwindigkeit und Beschleunigung zu vermehren. Dazu wurde mit 22 Probanden eine Laufbandspiroergometrie durchgeführt und kardiale und energetische Parameter in einem Herreneinzel über die Dauer des ganzen Spieles gemessen. Die Spiele wurden mit einer Videokamera aufgezeichnet und hinsichtlich der intervallförmigen Belastung von Ballwechsel und dazwischen liegenden Pausen sowie der eingesetzten Lauftechnik analysiert. Zusätzlich wurden in einer Trainingsstudie mittels einer quantitativen dreidimensionalen Bewegungsanalyse 59 Ballwechsel von 20 Spielern im Hinblick auf räumlich-zeitliche Strukturen untersucht. Geschwindigkeits-Zeit-Verläufe von Laufbewegungen auf dem Spielfeld in Verbindung mit unterschiedlichen Techniken in den Umkehrpunkten bzw. der Ballerwartungshaltung wurden charakterisiert. Die erhobenen kardialen und metabolischen Parameter deuten darauf hin, dass die aerobe Ausdauerleistungsfähigkeit im Badminton eine ganz entscheidende Rolle spielt. Unter Einbeziehung der Ergebnisse der intervallförmigen Belastung von Pausen und Ballwechseln konnte gezeigt werd en, dass bei gleicher Spielstärke eine bessere aerobe Ausdauerleistungsfähigkeit von Vorteil ist. Die getesteten Spieler hatten eine gute aerobe Ausdauerleistungsfähigkeit. Sie war in einem Bereich von ausdauertrainierten Sportlern und internationalen Spitzenspielern im Badminton einzuordnen. Innerhalb der Stichprobe hatten die leistungsstärkeren Spieler eine bessere Ausdauer als die leistungsschwächeren Spieler. Die in der stufenweise ansteigenden Spiroergometrie ermittelte relative maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit als Parameter für die aerobe Ausdauerleistungsfähigkeit hatte einen signifikanten Einfluss auf die Spielstärke im Badminton. Es bestand jedoch kein Zusammenhang zwischen der relativen maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit und den durchschnittlich gemessenen kardialen und metabolischen Parametern im Spiel. Allerdings konnte gezeigt werden, dass je höher die im Stufentest ermittelte relative Sauerstoffaufnahme an der individuellen anaeroben Schwelle war, desto höher war die Sauerstoffaufnahme der einzelnen Spieler im Spiel. Die getrennte Betrachtung von Gewinner und Verlierer ergab, dass die Gewinner der 3-Satz- und 4-Satz-Spiele eine kardiale und energetische Beanspruchung hatten, die im Bereich der aeroben Schwelle lag. Die Gewinner der 5-Satz-Spiele hingegen, hatten ähnlich den Verlierern aller Spiele, eine Beanspruchung die nahe der anaeroben Schwelle lag. Die Einzelfallanalyse unterstrich die Abhängigkeit der kardialen und energetischen Beanspruchung von der Spielstärke des Gegners und zeigte eine große Variabilität der Beanspruchung von Spiel zu Spiel. Trotz sehr guter aerober Ausdauerleistungsfähigkeit des Probanden, konnte, in Abhängigkeit vom Gegner, ein Laktatplateau oberhalb der anaeroben Schwelle beobachtet werden. Bei der Betrachtung der Spiele im Verlauf kam es zwischen den einzelnen Sätzen nur zu geringen Schwankungen in der kardialen und metabolischen Beanspruchung. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass bereits geringe Veränderungen in der Anzahl der Kontakte pro Ballwechsel einen Einfluss auf die metabolische und kardiale Beanspruchung haben.Ebenso zeigten die Ergebnisse der Untersuchung der intervallförmigen Belastung von Ballwechseln und dazwischen liegenden Pausen, dass die Spieler in das Verhältnis von Belastung zu Pausen eingriffen und dadurch die kardiale und energetische Beanspruchung beeinflussten. Die Analyse der Lauftechnik zeigte, dass die Anzahl an Laufaktionen in einem Spiel einen größeren Einfluss auf die Höhe der Blutlaktatwerte hat als die Gesamtdauer eines Spieles. 70 % der im Spiel eingesetzten Lauftechniken in den Umkehrpunkten waren Ausfallschritte. Spieler mit einem hohen prozentualen Anteil an Ausfallschritten im Hinterfeld hatten tendenziell höhere Blutlaktatwerte. Der unterschiedliche prozentuale Anteil an eingesetzten Ausfallschritten im Hinterfeld, der an der Studie teilnehmenden Vereine, deutet darauf hin, dass durch Training Ausfallschritte im Hinterfeld vermieden werden können. Die Ergebnisse der dreidimensionalen Bewegungsanalyse von 59 Ballwechseln unterstützen die im Spiel gewonnenen Erkenntnisse über Laufbewegungen. Es gelang das Bewegungsverhalten in der Ballerwartungshaltung und den Umkehrpunkten sowie der verbindenden Laufaktionen hinsichtlich räumlich-zeitlicher Strukturen zu charakterisieren. Bei der Differenzierung der Techniken in den Umkehrpunkten in Ausfallschritte und China- bzw. Umsprünge konnten Unterschiede beim Verhalten des Körperschwerpunktes und der Dauer der Vor- und Nachbereitung von Schlägen aufgedeckt werden. Es konnte außerdem gezeigt werden, dass es in Abhängigkeit von der angewandten Technik im Umkehrpunkt zu einem unterschiedlichen Bewegungsverhalten in Bezug auf Schnelligkeit, Beschleunigung und Länge des Laufweges bei vorausgehenden und nachfolgenden Laufaktionen kommt. Obwohl bei allen Techniken in den Umkehrpunkten, die Laufwege in die Ballerwartungshaltung kürzer waren als die Laufwege zum Ball, können China- und Umsprünge als "ökonomische Lauftechniken" bezeichnet werden und sollten Ausfallschritten ins Hinterfeld vorgezogen werden. Das Verhalten in den Umkehrpunkten war ein schnelles "rein - raus" und hatte den Charakter von Reaktivsprüngen. Zwischen dem Bewegungsverhalten bei Laufaktionen in Verbindung mit China- und Umsprüngen und der Vor- und Nachbereitung von Schlägen sowie der Körperschwerpunktsenkung im Umkehrpunkt bestand kein Zusammenhang. Jedoch machen Zusammenhänge, die in Verbindung mit Ausfallschritten bestanden, die Bedeutung einer optimalen Ballerwartungshaltung ebenso deutlich wie die der Vor- und Nachbereitung von Schlägen. Je länger die Vorbereitung in der Ballerwartungshaltung für einen Ausfallschritt ins Hinterfeld dauerte, desto höher war die maximale Geschwindigkeit beim anschließenden Laufweg. Je länger die Nachbereitung eines Ausfallschrittes im Hinterfeld dauerte, desto kürzer war der anschließende Laufweg in die Ballerwartungshaltung. Generell sollten lange Laufwege auf dem Spielfeld vermieden werden. Sie standen in der Studie in Zusammenhang mit hohen maximalen Geschwindigkeiten und hohen mittleren negativen Beschleunigungen beim Abbremsen in den Umkehrpunkten. Diese beeinflussten wiederum die Senkung des Körperschwerpunktes sowohl bei Ausfallschritten am Netz als auch im Hinterfeld. Je höher die mittlere negative Beschleunigung war, desto tiefer war der anschließende Ausfallschritt. Die Ergebnisse der kardialen und metabolischen Beanspruchung in einem Herreneinzel im Badminton zeigten, dass Spieler gleicher Leistungsstärke eine gute bis sehr gute aerobe Ausdauerleistungsfähigkeit brauchen, um einerseits die körperliche Beanspruchung gering zu halten und andererseits ausreichend taktisch agieren zu können. Die Daten der dreidimensionalen Bewegungsanalyse ganzer Ballwechsel unterstrichen die Bedeutung des Einsatzes einer situativ optimalen Lauftechnik, sowohl in Bezug auf die körperliche Beanspruchung als auch die Umsetzung einer Taktik betreffend. Aus den Ergebnissen der Untersuchung konnten wissenschaftlich fundierte Trainingshinweise abgeleitet werden, wie zum Beispiel zusätzliche Trainingseinheiten zur Verbesserung der allgemeinen aeroben Ausdauerleistungsfähigkeit oder ein Taktiktraining, welches den Spieler lehrt, die intervallförmige Belastung bewusst zu gestalten. In Bezug auf die Lauftechnik, kann ein Training der Antizipation und Entscheidungsfähigkeit sowie ein gezieltes Reaktivkrafttraining die Leistungsstärke von Badmintonspielern erhöhen.
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Notationen: Spielsportarten Biowissenschaften und Sportmedizin
Veröffentlicht: München TU München, Lehrstuhl für Präventive und Rehabilitative Sportmedizin 2008
Seiten: 198
Dokumentenarten: Dissertation
Sprache: Deutsch
Level: hoch