Entwicklung und Prüfung eines Testverfahrens zur Messung der fußballspezifischen Handlungsschnelligkeit

Die Schnelligkeit hat im Fußball eine herausragende Bedeutung. Während eines Spiels finden 1000 bis 1400 Kurzaktionen (Sprünge, Richtungswechsel, Zweikampfsituationen, Antritte etc.) statt, die alle vier bis sechs Sekunden wechseln (Schlumberger, 2010). Bei dieser Auswahl an Kurzaktionen handelt es sich um Aktionen sowohl mit als auch ohne Ball, sodass auch technisch-koordinative Aspekte eine bedeutsame Rolle spielen (Dierks et al., 2002). Aufgrund des Situationsdrucks wird die Effizienz dieser Aktionen nicht nur von der motorischen Komponente determiniert. Im Fußball gilt es fast ausschließlich, auf optische Signale in Form von Spielsituationen oder Gegnerbewegungen zu reagieren. Demzufolge nehmen die informationsverarbeitenden Prozesse einen hohen Anteil der Aktionsdauer ein (Friedrich, 2007; Lottermann, 2005). Eine Differenzierung in Aktionen mit und ohne Ball sowie in eine motorische und eine informatorische Komponente entspricht der Definition der Handlungsschnelligkeit zahlreicher Autoren (Weineck, 2010; Steinhöfer, 2008). Die Konstruktion und Evaluation von fußballspezifischen Tests, die sowohl die motorische, technische als auch informatorische Komponente berücksichtigen, stehen bisher aus. Eine komplexe Erfassung der Handlungsschnelligkeit unter Einbeziehung der variablen Gegnerverhaltensweisen ist aufgrund der Standardisierungsvorgaben von Tests nicht umsetzbar. Berücksichtigt man die angeführten Erkenntnisse, gilt es, Testverfahren zu entwickeln, die sowohl die motorische Schnelligkeit, die informatorische Schnelligkeit mit dem optischen Analysator als auch sportartspezifische Fertigkeiten integrieren. Die vom Autorenteam entwickelten Testverfahren beinhalten mit Ausnahme der Antizipation taktischen Verhaltens alle angesprochenen Komponenten der Handlungsschnelligkeit. Die Messung fußballspezifischer motorischer Auswahlreaktionen auf verschiedene optische Signale verspricht eine inhaltlich valide Operationalisierung der Handlungsschnelligkeit unter standardisierten Testbedingungen. In Anlehnung an die DFB-Talenttests wurden unter Verwendung des SmartSpeed™-Systems der Firma FusionSport und in Kooperation mit 2D Debus & Diebold Messsysteme die vorgestellten Testverfahren entwickelt und technisch umgesetzt. Darüber hinaus zielt die Studie darauf ab, die Reliabilität und die kriteriumsbezogene Valldität der Testverfahren anhand der Untersuchung dreier Nachwuchsmannschaften unterschiedlichen Leistungsniveaus empirisch zu evaluieren. Die Prüfung der Güte der entwickelten Messverfahren ergibt gute bis sehr gute Ergebnisse hinsichtlich der Reliabilität und damit der Merkmalskonstanz. Die nach dem varianzanalytischen Kriterium ermittelte kriteriumsbezogene Validität zeigt zwischen den untersuchten Leistungsgruppen signifikante Mittelwertunterschiede mit hohen Effektstärken. Die Leistungsrelevanz der Handlungsschnelligkeit wird zusätzlich über dos korrelationsanalytische Kriterium ermittelt. Hier zeigen sich lediglich auf unterstem Leistungsniveau signifikante Zusammenhänge mit dem Expertenrating. Dies kann durch den höheren Einfluss der Taktik bei der Bewertung der Spielleistung auf hohem Leistungsniveau erklärt werden. Für eine höhere kriteriumsbezogene Validität im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit in homogenen Gruppen bedarf es eines Testprofils mit ergänzenden Tests zu Kondition, Technik und Taktik.
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Schlagworte: Fußball Schnelligkeit Reaktionsschnelligkeit Untersuchungsmethode Test Messverfahren
Notationen: Spielsportarten Naturwissenschaften und Technik
Veröffentlicht in: Leistungssport
Veröffentlicht: Philippka Sportverlag 2012
Ausgabe: 42(2012)6, S. 45-52
Jahrgang: 42
Heft: 6
Seiten: 45-52
Dokumentenarten: Artikel
Sprache: Deutsch
Level: hoch