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Das NOK der DDR - Zwischen Olympia und Politik. Die Olympische Bewegung der DDR im Spannungsfeld der deutsch-deutschen Geschichte 1945-1973

Diskussionen in Sportorganisationen, unter Sportwissenschaftlern und (Sport)Politikern über den Grad der Unabhängigkeit des Sports von Politik, Wirtschaft oder Medien haben eine jahrzehntelange Geschichte. Die Ergebnisse sind so unterschiedlich wie die Blickwinkel, Einzelthemen oder Anlässe, zu denen solche Diskussionen angeregt und dann mit mehr oder weniger Nachdruck geführt und in die Öffentlichkeit getragen werden. Ein sehr eindrucksvolles Beispiel für den Charakter dieser Diskussionen über das unpolitische bzw. politische Wesen des Sports ist die Auseinandersetzung um die Anerkennung des NOK der DDR durch das Internationale Olympische Komitee und die damit verbundenen Rechte der Entsendung einer eigenständigen Olympiamannschaft. Über mehrere Jahrzehnte hinweg waren sowohl die Diskussion in den nationalen und internationalen Zirkeln der Politik und Sportpolitik als auch die sich aus dem jeweils aktuellen Diskussions- und IOC-Entscheidungsstand ergebenden praktischen Konsequenzen und Handlungen für das IOC und einzelne seiner Mitglieder wie auch für die Sportorganisationen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR und die agierenden Verantwortlichen von höchster Wichtigkeit und Brisanz - denn sie waren stets mit den politisch Regierenden im Bundestag und der Volkskammer abgestimmt. Matthias Fink hat sich dieses Themas angenommen und reflektiert die Prozesse die mit der Gründung der ersten Sportstrukturen einsetzenden Bemühungen der DDR-Sportpolitiker um internationale Anerkennung primär aus organisationsgeschichtlicher Sicht. Er erweitert diesen Denkansatz aber kontinuierlich um politik- und zeithistorische Aspekte, die von Anfang an die vorhandene enge Verknüpfung der Sportorganisationen und dem politischen System beider Länder deutlich werden lassen. Die Betrachtung bis kurz nach den Olympischen Spielen 1972 in München zu führen ist konsequent, da mit diesem sportlichen Highlight und der Teilnahme der DDR mit einer eigenen Olympiamannschaft auch ein gewisser Abschluss in der sportpolitischen Auseinandersetzung zu diesem Thema erreicht wurde. Bis dahin war es aber ein langer und sehr abwechslungsreicher Weg, im dem die handelnden Personen wie die IOC-Mitglieder von Halt, Daume und Schöbel sehr enge und intensive Kontakte mit Politikern ihres Landes hatten, die sie dann in sportpolitische Strategien im Umgang mit ihren Kollegen im Internationalen Olympischen Komitee um dessen Präsidenten Avery Brundage (und später dann Lord Killanin) umsetzten. Die Ziele der Vertreter beider Länder (und später dann ihrer NOKs) waren oftmals diametral entgegengesetzt, obwohl man andererseits - angesichts der Interessenslage des IOC, den Sport auch als politischen Mediator einzusetzen - viele Jahre auch immer miteinander diskutieren und Olympiamannschaften vorbereiten und an den Start bringen musste. Dass das regelmäßig mit Konflikten verbunden war, die es dann zu lösen galt, verwundert nicht. Da ging es um die Besetzung von Leitungsposten im Olympiateam, die mit internationaler Repräsentanz verbunden waren, da ging es um die Flagge und die bei olympischen Siegen zu intonierende Hymne. Bevor es soweit kam, mussten aber in den ersten Jahren die innerdeutschen Olympiaausscheidungen organisiert werden, was nicht nur ein Feld heftiger sportlicher Auseinandersetzung war, sondern eben auch Schauplatz sportpolitischer Kämpfe. Ein stets fragiles, ausgehandeltes Gleichgewicht war nie von langer Dauer, da damit immer Unzufriedenheiten auf mindestens einer Seite verbunden waren, die dann aktiv wurde, um im Folgeschritt das Ruder wieder für sich herumzureißen. Letztlich waren es die zunehmenden sportlichen Erfolge der DDR-Sportler, die dem DDR-NOK und den nationalen Sportverbänden des Landes den Weg zu einer schrittweise immer stärkeren Anerkennung im internationalen Sport öffneten. Der Slogan von den "Botschaftern im Trainingsanzug" zeigte immer mehr Wirkung. Die Siege bei internationalen Meisterschaften und auch bei Olympischen Spielen statteten zudem die Sportfunktionäre mit "sportlichen Argumenten" aus, die Vertreter anderer Länder immer weniger bereit waren zu negieren. In der vorliegenden Arbeit werden alle wichtigen Teilschritte bis zur vollständigen Anerkennung anhand von Originaldokumenten nachvollzogen und transparent gemacht. Damit entsteht ein sehr interessantes und spannungsreiches sportpolitisches Bild der Sportdiplomatie aus den 1950er bis 1970er Jahren, das von der Verhinderung der Teilnahme über eine erschwerte Teilnahme und eine deutsch-deutsche "Zwangsehe" bis hin zur eigenständigen olympischen Premiere führt. Dabei reicht das entworfene Bild von den deutschlandpolitischen Zielsetzungen dieser historische Periode insgesamt bis hin zu den Haltungen und Äußerungen einzelner Protagonisten bei einer Verhandlungsrunde oder einer IOC-Session.
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Schlagworte: DDR Deutschland Sportpolitik Eigenname IOC Sportverband Politik Partei national international 1945-1961 NOK Sportgeschichte Olympische Bewegung
Notationen: Sportgeschichte und Sportpolitik
Veröffentlicht: Göttingen Verl. Die Werkstatt 2012
Ausgabe: Göttingen: Verlag die Werkstatt, 2012.- 385 S.
Seiten: 385
Dokumentenarten: Buch
Sprache: Deutsch
Level: hoch