2616

Zur Ökonomik von Spitzenleistungen im internationalen Sport

Schon das Thema des Konferenzbands hat in den letzten zwei, drei Jahrzehnten eine immerwährende Aktualität besessen. Während in den großen nordamerikanischen Mannschaftssportarten die sehr enge und weiter zunehmende Verflechtung von Hochleistungssport und Wirtschaftsinteressen schon über Jahrzehnte präsent gewesen ist und daraus auch kein Hehl gemacht wurde, brauchte das "alte" Europa (außer vielleicht im Fußball und partiell im Rugby) für diese Entwicklungen noch eine längere Zeit, und mit dem Hinüberschwappen des Baseballs und dann auch des Profifußballs in die großen Volkswirtschaften Asiens und auch Ozeaniens schloss sich dann der internationale Wirtschaftsring im Spitzensport. Beginnend mit den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles, die damals erstmals von einem privaten Konsortium mit Gewinn organisiert wurden, und sehr stark durch die Intentionen des damaligen IOC-Präsidenten Samaranch gefördert, griff die Ökonomisierung des internationalen Spitzensports auch in manch bis dato im ökonomischen Dornröschenschlaf schlummernden Sportart des olympischen Programms Raum. Die internationalen und nationalen Sportverbände, aber auch leistungssportlich arbeitende Sportvereine und Einzelsportler entwickelten entsprechende, neue Organisations-, Management-, Vermarktungskonzepte, um einerseits bereits laufende Prozesse für sich nutzen zu können, gleichzeitig aber nicht nur zu kopierenden Nachnutzern zu werden, sondern durch eigene innovative Ideen sich selbst an die Spitzen von sportartspezifischen Entwicklungen zu setzen - nicht zuletzt, um dadurch einen zusätzlichen Nutzen zu haben. Dabei konnten sie oftmals die mit der Ökonomisierung nahezu zeitgleich ablaufenden Entwicklungen einer rapide zunehmenden Medialisierung sportlicher Spitzenleistungen nutzen, konnten die vollkommen neuen digitalen Informations- und Kommunikationswege und -methoden für sich nutzen, die mit der Internetentwicklung auf den Weg gebracht wurden. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang aber auch, dass mit all diesen Themen und Prozessen der Sport, und insbesondere der nationale und internationale Spitzensport, wieder bzw. noch mehr in den Focus der Politik geriet. Diese betrachtete ihn sowohl mit Blick auf einen zunehmenden juristischen Regelungsbedarf, entwickelte sich der Sport doch zu einem immer wichtigeren Wirtschaftszweig. Andererseits verlor der bis zum Ende der 80er Jahre mehr oder minder offen ausgetragene sportliche Systemwettstreit sehr schnell seine Relevanz und es wurde über aus politischer Sicht verstärkt über die Potenziale des Spitzensports zur nationalen Repräsentanz nachgedacht. Dass sich daraus auch ein wissenschaftliches Interesse entwickelte, ist leicht nachzuvollziehen. Das bezog sich sowohl auf die theoretische Grundlegung der Prozesse, um sie besser verstehen und letztlich auch steuern zu können, andererseits ging und geht es aber auch um die Ableitung äußerst praktischer Konsequenzen in der Organisationsentwicklung auf staatlicher Ebene wie auch auf der Ebene der Sportselbstverwaltung in Vereinen und Verbänden. Best Practice-Lösungen waren da natürlich nachgefragt wie auch konzeptionelle Denk- und Handlungsansätze für die Leitung und Planung einer mittel- und längerfristigen Leistungsentwicklung, für den Einsatz finanzieller Mittel, für die Beschreibung und Umsetzung von Strukturelementen, die für eine nachhaltige Leistungsentwicklung erforderlich sind. Auf dem 2007 in Hamburg abgehaltenen 7. Internationalen Symposium "Sport und Ökonomie" wurden diese Themen von den Referenten präsentiert und diskutiert. Im vorliegenden Tagungsband werden, eingeführt durch die Herausgeber des Bandes, zehn der Beiträge vorgestellt. Dabei erscheinen für den nationalen Blick auf die Sportentwicklung natürlich die Beiträge des damaligen und heute wieder in der Funktion arbeitenden DOSB-Leistungssportdirektors, B. Schwank, und die Organisationsanalyse von U. Schmitz zum Deutschen Hockey-Bund, der 2004, 2008 und 2012 olympische Goldmedaillen gewinnen konnte, von besonderer Bedeutung. Der Beitrag von B. Schwank beleuchtet aus der Perspektive vom Ende 2007 die damals vorgenommenen Veränderungen in den Beziehungen zwischen den deutschen Sportverbänden und dem DOSB (zum Beispiel zum Stichwort Zielvereinbarungen) wie auch die Bemühungen um eine engere Zusammenarbeit sowohl im Wissenschaftlichen Verbundsystem Leistungssport (WVL) als auch im Forschungs- und Servicezentrum Leistungssport (FSL). Schade ist, dass dieser Beitrag erst fünf Jahre nach seiner live-Präsentation erscheinen konnte, andererseits bietet er damit eine wichtige Basis, um den Stand 2007 mit dem aktuellen Bild im deutschen Spitzensport nach den Olympischen Spielen in London vergleichen zu können. Gleiches gilt im Übrigen natürlich auch für den Beitrag zum deutschen Hockeysport. Weitere Beispiele befassen sich mit den Mechanismen, die zur Vergabe von Olympischen Spielen im Sommer und Winter führen oder greifen die Potenziale und Risiken auf, die sich durch sog. Public-Privat-Partnerships im Sport ergeben können. Beiträge aus dem amerikanischen Profisport, aus dem englischen (Manchester United) und belgischen Fußball sowie aus der Leichtathletik runden das Bild einer wichtigen und interessanten Auseinandersetzung mit Themen der Ökonomik im Spitzensport ab - schade, dass man diese Beiträge erst 2012 lesen kann, ihnen wäre eine frühere Publikation zu wünschen gewesen.
© Copyright 2012 Veröffentlicht von Hamburg Univ. Press. Alle Rechte vorbehalten.

Schlagworte: Ökonomie Leistungssport Hochleistungssport DOSB Organisierung Sportverein Leichtathletik Fußball USA Deutschland Bundesrepublik Deutschland Belgien Singapur Sportverband Sportart Organisation Institution Sportmanagement Sponsoring
Notationen: Theorie und gesellschaftliche Grundlagen Sportgeschichte und Sportpolitik
Herausgeber: M.-P. Büch, W. Maennig, H.-J. Schulke
Veröffentlicht: Hamburg Hamburg Univ. Press 2012
Ausgabe: Hamburg: Hamburg Univ. Press, 2012.- 235 S.
Seiten: 235
Dokumentenarten: Buch
Sprache: Deutsch
Englisch
Level: hoch